Kirchenserver (Juli 2003)
Was ein Papst so i(s)st
Schmerlenbach (POW) Lang war sie, die Papstnacht. Umfangreich wie mancher Amtsträger. Auch Lehrreiches über das Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche war sinnlich erfahrbar bei der Langen Papstnacht im Bildungshaus Schmerlenbach: Hörspiel, Kabarett, Dichterlesung und Kinostreifen sprachen Augen und Ohren an, kulinarisch verwöhnte ein italienisches Buffet. Nur zum Anfassen gab es den Multi-Amtsträger nicht. Dafür ist der Bischof von Rom, Patriarch des Abendlandes, Staatsoberhaupt des Vatikans und Heiliger Vater doch zu beschäftigt. Dennoch wurden die Besucher ausreichend entschädigt. Knapp 100 Papstfans waren denn auch gekommen, zu sehen und zu genießen. Was sich Ideengeber Stefan B. Eirich, Geistlicher Leiter des Bildungshauses, ausgedacht hatte, war eben so bunt wie die Schweizer Garde.
Erster Akt, Wallfahrtskirche Schmerlenbach: Das Trio „Entzücklika“ aus Obermarchtal (Rottenburg- Stuttgart) brachte mit einem Hörspiel über Johannes XXIII. manch Neues über den populären Amtsträger des vergangenen Jahrhunderts ans Licht. „Stellen Sie sich vor, Sie sind Papst. Es ist vier Uhr dreißig, ihr Wecker klingelt“, animierte Entzücklika-Chef Alexander Bayer. „Beginnen wir mit sportlichen Übungen!“ Schwer vorstellbar, bei 120 Kilo Lebendgewicht ohne Ornat und Tiara. Dennoch klopften die zu Päpsten gewordenen Besucher Arme, lockerten Gesichtsmuskeln und öffneten symbolisch die Fenster à la Johannes XXIII. „Das war sein Lieblingssport“, rief Bayer, „weiter mit der nächsten Übung!“: Segen für alle. Und die Entspannungsübung „Andachtsbilder verteilen“. Nach Gesichts- und Stimmgymnastik, getarnt als Kardinalsgejammer angesichts vollen Terminkalenders, war es Zeit für den nächsten Song, ein Quodlibet. Die Frauen trällerten den Part „den Menschen geht es zu gut, denn sie glauben nicht mehr“, während die Männer „immer schlimmer steht es um diese Welt“ brummten.
In knapp 90 Minuten beförderte Entzücklika mittels Dia-Projektionen, Songs und Texten teils amüsant, teils nachdenklich ein Bild des beliebten Papstes ans Tageslicht. Es kam heraus, wie zufällig Angelo Roncalli zum Nachfolger des asketisch-strengen, plötzlich verstorbenen Pius XII. wurde. "Weder Papst- Lotterie noch vatikanische Gewandschneiderei waren auf einen wie ihn vorbereitet." Das Heil der Kirche habe der Kirche ein Schnippchen geschlagen, freute sich das Schwaben-Trio. Von Anfang an habe sich der Tonfall im Vatikan geändert. Roncallis wohl einschneidendster Schachzug war die Einberufung des Zweiten Vatikanischen Konzils. In der Retro-Perspektive bot Entzücklika seinen Aufstieg beginnend ab dem Aufenthalt im Priesterseminar, als nord-italienischen Lebe-Priester, den Aufstieg zum Bischof und die Strafversetzung ins bulgarische Sofia dar. Als Johannes XXIII. nach weniger als fünf Jahren an der Spitze der Kirche schließlich an Magenkrebs starb, wurde es still in der Schmerlenbacher Wallfahrtskirche. Das sangeskräftige Fazit des Musik-Trios lautete deshalb auch "gut, dass du da warst, es war höchste Zeit. So viele Fenster gingen auf, die Güte nahm ihren Lauf."
Einen Beitrag namens „Leise Töne“ präsentierte Peter Spielmann, Lehrer und Gedichtschreiber aus Elsenfeld im Kreuzgang des ehemaligen Klosters. In Gedichten berichtete er vom Gang auf dem Pilgerweg „Via Francigena“ von Konstanz über die Schweiz, Mailand, Parma, Lucca, Siena bis ans Grab des heiligen Petrus. Poetisch beschrieb er die Strapazen, die Belohnungen, die Mühen und Enttäuschungen, die ihm den Weg gekreuzt hatten. Endlich in Rom angelangt, schrieb er seine Gefühle bei der Papstaudienz nieder: „Fast greifbar der Haken in Weiß, im Rampenlicht ein Star, einwärts gekehrt, ganz übern Krückstock gebeugt, ist er der Mensch, der zusammenfügt?“
Vor dem Kinostreifen „Der Stellvertreter“ blieb den Besuchern noch der Sturm aufs Buffet: Mit Vitello tonnato, Cipolle al balsamico oder Melanzane grigliate, um nur einige der aufgetischten italienischen Speisen zu nennen, wurden die Papstfans an das herangeführt, was der Papst so isst. Nur der Wein, der stammte aus fränkischem Anbau. Doch auch das passte zur Langen Papstnacht: Einmal in der Geschichte stellten die Franken mit Clemens II. das Kirchenoberhaupt.